Ich bin wahrscheinlich einer dieser typischen skeptischen Deutschen mit typischer „German-Angst“. 2022 endete mit dem großen Knall von ChatGTP. Natürlich kannte ich Modelle wie z.B. Stable Diffusion schon vorher, aber ChatGPT war ein Meilenstein und es war in erster Linie erschreckend und brachte auch eine Menge Unsicherheit mit sich. Es ist nur menschlich, Angst vor dem Unbekannten zu haben und vor der Möglichkeit, ersetzt zu werden. Die Vorstellung, durch fortschrittliche KI-Modelle ersetzt zu werden, kann besonders beunruhigend sein und wirft Fragen nach der Widerstandsfähigkeit des Unternehmens sowie der Anpassungsfähigkeit seiner bestehenden Strukturen auf.
Das Jahr 2023 war ein unfassbar emotionaler Ritt. In der Psychologie nennt man das die 5 Phasen der Bewältigung.
So habe ich meine Angst vor KI in 5 Phasen bewältigt:
1. Phase: Ich verleugnete KI: „KI ist nur ein Hype!“
Zunächst glaubte ich nicht, dass die künstliche Intelligenz in dieser Phase eine so große Rolle spielen würde. „Es ist nur Statistik und das wird es auch bleiben“, war mein Mantra. Ich redete mir ein: „Es wird schon nicht so groß werden.“
2. Phase: Ich wurde wütend: „Wir haben eine Wahnsinns-Chance verpasst.“
Am meisten ärgerte ich mich darüber, dass ich schon vor 23 Jahren, im Jahr 2001, mit KI beschäftige. Damals schlug mich mein Professor Dr. Otte für ein Stipendium der Stiftung des Deutschen Volkes vor, in dem ich mich intensiv mit der Entwicklung von Perzeptron-Netzen beschäftigen sollte. So erstellte ich Bilderzeugungsnetzwerke und Nervennetzwerke von Grund auf neu. Nur warum um Himmels willen habe ich mich und uns als Unternehmen nicht gezwungen, mit diesem Wissen voranzuschreiten und KI zu nutzen?!
3. Phase: Ich beruhigte mich: „So schlecht sind wir eigentlich nicht…“
In dieser Phase habe ich mit mir selbst verhandelt: So schlecht sind wir doch gar nicht, wir sind doch an der Spitze, da wir seit Jahren Software für KI entwickeln. Fast jede App und Desktop-Anwendung, die wir in den letzten fünf Jahren entwickelt haben, hatte in irgendeiner Form einen Bezug zu künstlicher Intelligenz. Dazu gehören sehr spannende Funktionalitäten wie die Erkennung von Audiodaten, z.B. BPM-Geschwindigkeit, Segmentierung, als auch Feature-Extraktion in Bildern, 3D-Rekonstruktion aus 2D-Bildern, Augmented Reality (AR) kombiniert mit künstlicher Intelligenz und so weiter.
4. Phase: Ich bekam Panik: „Wir begeben uns in eine gefährliche Abhängigkeit!“
Ja, wir haben eine Menge hochklassige KI-Technologien eingesetzt, aber wir haben uns nicht selbst „die Hände schmutzig gemacht“. Wir hatten das gleiche Problem, das fast jedes europäische Unternehmen hatte. Am 8. Januar 2024 hatte beispielsweise Siemens eine Partnerschaft mit Amazon AWS bekannt gegeben, die das Unternehmen noch abhängiger von einem externen Treiber macht (siehe: https://press.siemens.com/global/en/pressrelease/siemens-and-aws-join-forces-democratize-generative-ai).
Auch wir waren im Bereich KI abhängig von den großen Playern OpenAI und Microsoft. Unsere Arbeit war viel zu sehr von der Arbeit anderer bestimmt. Es lag nicht in unseren eigenen Händen, sie weiter voranzutreiben.
5. Phase: Ich akzeptierte die Lage: „Wir machen KI jetzt selbst!“
Im März 2023 akzeptierten wir schließlich den aktuellen Stand und beschlossen, mit eigenen Mitteln tiefer in das Umfeld der KI einzusteigen. Sicher, wir konnten das Rad nicht neu erfinden, aber wir können freie Entwürfe von Rädern nutzen, die wir für unsere eigenen Anwendungen einsetzen können. Seitdem betreiben wir intern Large Language Model (LLM) Training wie LLAMA und Training von Stable Diffusion Modellen. Sicherlich war LLAMA von Meta zu diesem Zeitpunkt nicht für die Produktion geeignet, aber wir wollten selbst in den Code einsteigen. Seitdem haben wir Dolly, StableLM, Bloom, Vicuna und LLAMA2 mit unseren eigenen Datensätzen verwendet, um großartige LLMs zu erstellen und zu verfeinern, insbesondere für die Einbettung in Apps oder Offline-Hardware. Dies bietet die Möglichkeit, schneller (in Bezug auf die Latenz), sicherer (es ist kein externer Zugriff erforderlich) und geschützter (Trainingsdaten müssen nicht an Dritte weitergeben werden) zu sein.
Abschließende Gedanken
Ich bin mir sehr sicher, dass sich heute jedes Softwareunternehmen an die neuen Gegebenheiten anpassen sollte. Der Einsatz von KI in verschiedenen Bereichen ist eine großartige Möglichkeit, die Entwicklungsgeschwindigkeit und Performance zu erhöhen, da man sich nicht um harte Mathematik wie bei der Beat-Erkennung im Audiobereich kümmern muss, sondern um die Daten und das Training dieser Modelle. Es ist ein sehr nützliches Tool, um Software schneller und zuverlässiger zu entwickeln. Dennoch ist es auch wichtig, die Grenzen zu verstehen und Kunden bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Nicht jede exzellent nutzbare Anwendung braucht KI, aber jede KI braucht eine großartige User Experience und eine Anwendung, die sie im Sinne des Nutzers benutzbar macht.
Um die Frage zu beantworten, ob wir wir uns vor KI / AI fürchten müssen? Nein, natürlich nicht! Wir sollten und werden sie adaptieren und sie als das Werkzeug nutzen, das es ist. Eine sehr nützliche Unterstützung für uns alle.
Über den Autor
Matthias
Als CEO der onexip GmbH mit über 20 Jahren Erfahrung in der Softwarebranche bringt Matthias Expertise in KI, Audio- und Videotechnologien sowie Hochleistungssoftwarearchitektur mit.
Er ist immer auf dem neuesten Stand der Technologie, liebt es Neues zu lernen und sich herauszufordern. Als Futurist, Skeptiker und praktisch denkender Leader strebt er danach, stets Qualität und Mehrwert zu liefern.
Häufig gestellte Fragen:
Was ist die "German-Angst" in Bezug auf KI?
Die „German-Angst“ beschreibt die skeptische Haltung vieler Deutscher gegenüber neuen Technologien wie KI, die mit Unsicherheit und der Angst vor dem Unbekannten verbunden ist.
Warum entschieden wir uns in KI zu investieren?
Trotz anfänglicher Skepsis erkannten wir bei onexip die Chancen, welche KI für die Erhöhung der Entwicklungsgeschwindigkeit und -leistung bietet.
Was sind die Vorteile der internen Entwicklung von KI?
Durch die interne Entwicklung von KI können Unternehmen unabhängiger, schneller und sicherer arbeiten. Sie haben die Kontrolle über ihre Daten und können maßgeschneiderte Lösungen für ihre Anwendungen entwickeln.
Ist die Angst vor KI berechtigt?
Nein, anstatt sich vor KI zu fürchten sollten Unternehmen diese durchaus selbst nutzen. Es ist jedoch wichtig, die Grenzen zu kennen und zu verstehen.